Reportage 15/16: Zusammenfassung

 Donnerstag, 1. Dezember, war ein Gassentag wie jeder andere. Eigentlich. Nur dass ich das Gefühl hatte, von zwei, drei Helfern besonders heute eine gewisse Ablehnung gegen mich als Nicht-Christin zu spüren, was bei mir Aggressivität auslöste. Das säuselnde Gerede ging mir mehr als sonst auf die Nerven. Innerlich wutentbrannt, machte ich Notizen, die ich am nächsten Tag zerriss und in den Abfall warf.

Am Montag. 5. Dezember, fiel das Tennistraining aus und ich freute mich, meinen 16. Chrischtehüslitag wieder einmal mit den Franziskanern zu verbringen. Heute hatte ich keine Lust, eineinhalb Stunden in der Stadt herumzulaufen und saß beim Hauskreis am Tisch. Das war ein Fehler. Ich ließ mich durch Benno zu einem gehässigen Kommentar zu einem Bibelspruch provozieren. Das gab ihm den Bogen. Bruder Benno schmiss mich raus. Er gab mir deutlich zu verstehen, dass eine Nicht-Christin als Helferin nicht erwünscht ist, ich dürfe aber als Gast ins Chrischtehüsli kommen.
Für Bruder Benno bin ich also auch eine Randständige.
Weil ich mich nicht in Demut vor einem Gott übe, der für alles Gute auf dieser Welt zuständig ist. Scheiße baut der Mensch selber. Zu guten Taten ist ist der Mensch nur durch Gott fähig.

Ich bereue keine Minute, die ich im Chrischtehüsli verbracht habe. Seit August habe ich den Randständigen jede Woche einen Tag von meiner Zeit geschenkt. Gerne bin ich im Chrischtehüsli hinter der Theke gestanden, habe beim Kochen und Abwaschen geholfen, mit Süchtigen geredet.
Ich mag die Leute, bekam Einblick in ihre verletzten Seelen. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, kann mir niemand nehmen. Es hat sich gelohnt, diese Arbeit auf mich zu nehmen. Gerne wäre ich weiterhin in die gute Stube gegangen, auch nächstes Jahr. Aber nun ist wieder ein Abschnitt meines Lebens abgeschlossen. Bruder Benno hat den Schlussstrich gezogen.




Ich kann es nicht verklemmen:
Als ich vernahm, dass fortan ein Homosexueller der machtvollste Schweizer sein würde, durchzuckte mich ein Schauer von Schadenfreude. Erinnerte ich mich doch an die unerquicklichen Gespräche über diese von Christen verabscheute Sorte Mensch …

Stephan, der behinderte Helfer, ist überzeugt, dass das Schwulsein von den Eltern anerzogen wird. Keiner der Kollegen und Kolleginnen widerspricht ihm .

Sr. Maria-Theresia, geschieden, zwei erwachsene Kinder, erklärte mir, für das Elend auf der Welt seien die Menschen selber verantwortlich. Womöglich hat die Gerechtigkeit Gottes auch sie getroffen. Vielleicht war sie mit einem Ungläubigen verheiratet, der sich nicht bekehren ließ. Oder sie kam erst nach der Scheidung zu ihrem unerschütterlichen Glauben an den unfehlbaren und gerechten Gott. Weil sie einen Halt brauchte, um ihre Enttäuschung verkraften zu können.
Womöglich wurde auch Benno vom Leben enttäuscht und flüchtete sich in den Schutz der braunen Kutte, klammert sich nun an den Glauben, weil er sich ohne diesen Glauben verloren fühlt.
Und Sr. Simone schenkte einem unehelichen Kind das Leben. Sie scheint sich in der Rolle der Sünderin wohl zu fühlen und ich gönne ihr das Mutterglück.
Mir kommt das alles so unglaublich widersprüchlich vor.

Trotzdem mag ich sie, diese Crew von Helfern. Sie sind zwar abhängig von Gottes Gnade, sonst aber doch recht menschliche Wesen, nicht vor Fehlern gefeit.

In diesem Sinne, lieber Bruder Benno und Crew, die jeweils montags ihr Bestes geben und die Helfer, die unter der Woche im Chrischtehüsli die Stellung mit viel Aufopferung halten:

Pace e Bene

Roswitha
<<<<––––– zurück